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aus "Gourmetkatz" - Band 6 (2021)

Als er zu Hause seinen Käfer einparkte, erreichte ihn ein Anruf von Dago Pfalzer.

»Servus, Steinböck, du wolltest mich unbedingt sprechen. Ich hab grad mit deiner Kollegin telefoniert.«

»Grüß dich, Dago, es wär schön, wenn du morgen bei mir im Büro vorbeikommen würdest.«

»Ganz schlecht, ganz schlecht«, stöhnte der.

»Ich muss morgen früh nach Island. Geht’s nicht noch heut?«

»Du, ich bin schon daheim. Außerdem hab ich Hunger.«

»Weißt was, ich komm bei dir vorbei. Ich wohn in der Clemensstraße. Das ist nur ein Katzensprung zu dir. Ich bring auch ein schönes Steak mit, des brat ich dir. Dann unterhalten wir uns in Ruhe, und ich kann morgen nach Island fliegen. Und am Samstagabend bin ich eh wieder da.« Steinböck zögerte, aber die Aussicht auf ein Steak, von einem Sternekoch gebraten, und die Neugier, was aus dem Würstelverkäufer Pfalzer geworden war, ließen ihn zustimmen.

»Von mir aus. Woher weißt du, wo ich wohne?«

»Mei, Steinböck hast du noch nie was vom Internet gehört? Ich bin in einer halben Stunde da. Stell schon mal a g’scheide Pfanne raus.« Pfalzer legte auf. Der Kommissar holte die Einkaufstüten aus dem Wagen und trug sie durch den Wintergarten ins Haus.

»Ist das der Verrückte aus dem Fernsehen, der, bevor er die Stierhoden frittiert, den Bullen erst mit bloßen Händen einfangen muss?«, maulte Frau Merkel, die einen gemeinsamen Fernsehabend flöten gehen sah.

»So oder so ähnlich«, murmelte Steinböck und stellte fest, dass die Katze mit zunehmendem Alter immer mehr zu Übertreibungen neigte. Als Letztes verstaute er das 350 Gramm Bio-Entrecote im Kühlschrank. Liebevoll streichelte er über die Verpackung.

»Man gönnt sich ja sonst nix. Bin gespannt, was der Dago mitbringt.«

»Bin ich auch, ich erwarte Sterneküche.«

»Nimm dich nicht so wichtig, von dir weiß der doch gar nichts.«

»Hallo? Ist da jemand?«, hörte der Kommissar eine Stimme aus dem Garten.

»Du kannst durch den Wintergarten reinkommen«, antwortete er und ging Pfalzer entgegen. Mei, der Steinböck«, empfing dieser ihn.

»Wie lang ist des jetzt her? Mehr als 20 Jahre. Weißt des noch, Xerxes Attila? Mei, ham mir einen Spaß g’habt!« Der Kommissar zuckte zusammen, als er seine beiden, lange von ihm gehüteten Vornamen hörte. Sein Blick fiel auf die Katze, die jedoch keinerlei Reaktion zeigte. Offenbar hatte sie den Zusammenhang nicht verstanden.

»Steinböck reicht«, zischte er Pfalzer zu. Der nickte und zuckte mit den Schultern.

»Immer noch a bisserl empfindlich? Aber von mir aus.« Jetzt entdeckte er die Katze.

»Das ist also Frau Merkel. Deine Kollegin hat mir eine Menge von ihr erzählt. Ich hab natürlich auch was für sie mitgebracht.« Er tat geheimnisvoll.

»Frischer japanischer Thunfisch. Den Fischer, der den gefangen hat, kenn ich persönlich.«

»Okay, der Typ kann vorerst bleiben«, bemerkte die Katze und schnüffelte dabei an der Tragetasche, die Pfalzer in der Hand hielt.

»Mensch, Steinböck, lass dich anschauen. Du hast dich ganz schön verändert«, babbelte er weiter.

»Die Haare sind weniger geworden, dafür hat der Bauch zugenommen.«

»An dir ist der Zahn der Zeit auch nicht spurlos vorübergegangen «, konterte der Kommissar.

»A bisserl fett bin ich geworden, aber die Haarpracht ist immer noch meine eigene.«

»›Haarpracht‹ ist maßlos übertrieben, nur der affige Scheitel unterscheidet die Frisur von einem Wischmopp.«

»Wie schaut’s aus, Steinböck, erst das Verhör oder erst das Essen?«

»Ich denk, zuerst das Essen. Denn wenn ich dich verhaften muss, würde andernfalls das Steak ausfallen.«

»Da magst du recht haben«, scherzte Pfalzer, doch sein Lachen klang nicht gerade überzeugend. In der Küche packte der Sternekoch drei Rib-Eye- Steaks und ein ordentliches Stück Thunfisch aus. Er wusch sich die Hände und legte eines der Steaks auf seinen Handteller.

»Schau dir an, wie wunderbar marmoriert das Fleisch ist.« Dabei drehte er die Hand andächtig hin und her. Steinböck dachte wehmütig an sein etwa dreimal so großes Biosteak, das im Kühlschrank auf ihn wartete, wollte aber die Zeremonie auf keinen Fall stören.

»Feinstes Kobe-Rind«, schwärmte Pfalzer.

»Das war das Geschenk eines befreundeten Bauern. Für unsereins unbezahlbar. So, du setzt dich jetzt in deinen Wintergarten und lässt den großen Meister für eine Viertelstunde allein.« Steinböck tat, wie ihm geheißen, hockte sich in seinen Korbstuhl und drehte sich eine Zigarette.

»Das Stück Thunfisch hat die Größe eines Steaks«, murrte er und blies den Rauch der Zigarette in Richtung Katze. Tatsächlich brachte er sie dazu, zu hüsteln.

»Deswegen sollte die Nahrungszufuhr, in diesem Falle die Größe des Fleischstückes, nicht von der Körpergröße, sondern von der Leistung des Gehirns abhängen«, frozelte sie. Er beschloss, sie zu ignorieren und legte die Füße auf den Hocker. Ihm kamen die Bilder von Constantin Rusu hoch. Der arme Schlucker! Seine Ersatzteile waren auf dem Markt ein paar 100.000 Euro wert, und ihm selbst blieben höchstens 5.000 Euro. Die Leber hat man ihm als Schnäppchen zusätzlich entfernt, und letztendlich war er auch noch umgebracht worden. Ohne Zweifel hatte Rusus Ermordung mit den entnommenen Organen zu tun. Das spürte er deutlich, und auf sein Bauchgefühl hatte er sich bisher immer verlassen können. Was für ein mieses Geschäft! Es dauerte eine halbe Stunde, bis Pfalzer das Essen fertig hatte, aber das Warten hatte sich gelohnt. Steinböck war überrascht, welch interessante Zutaten Dago aus seinem Stoffbeutel gezaubert hatte. Am meisten wunderte er sich jedoch darüber, dass ein Steak auch ohne darübergelegtes Spiegelei schmecken konnte. In schmale Scheiben geschnitten, mit feinen Kräutern garniert und dazu ein frisch aufgebackenes Baguette. Für einen Moment kam ihm Rusus Leber in den Sinn, er schob den Gedanken aber schnell beiseite. Selbst Frau Merkel konnte ihre Bewunderung nicht verhehlen. Aus dem Thunfischstück hatte Dago Streifen geschnitten, die zu kleinen Röllchen geformt und mit Basilikumblättern garniert. Glücklicherweise aß Pfalzer nur ein paar Happen. So kam Steinböck doch annähernd auf die Menge, die sein im Kühlschrank wartendes Biosteak auf die Waage brachte. Zum Abschluss zwei Gläser eines schweren spanischen Merlots, und der Kommissar fühlte sich rundum zufrieden.

»Also, alter Freund, spuck’s endlich aus. Was ist los mit dem Johann?«, wollte Pfalzer wissen. Seine Ungeduld war ihm anzumerken. Trotzdem wartete er, bis Steinböck sein Glas geleert hatte.

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