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aus "Grantlkatz" - Band 5 (2020)

 „Was machen denn deine Amerikaner? Sind sie mit ihrem Fremdenführer zufrieden?“

„Ich versuch mein Bestes. Aber mach denen mal klar, dass es bei uns nicht jeden Tag ein paar Tote auf der Straße liegen. Du hast ned zufällig heut eine Razzia geplant oder einer von deinen Kollegen? Ich müsst denen unbedingt was bieten. Jeden Tag durch Hintertüren in irgendwelche Puffs zu schleichen reicht halt nimmer.“

„Tut mir leid, keine Razzia, keine Leich.“

„Ich erwarte die beiden jeden Moment“, brummt Obstler und starrte auf die Uhr an der Wand hinter der Theke. „Ich brauch dringend eine zündende Idee.“

„Ich besuch jetzt gleich den Sokrates unter der Reichenbachbrücke. Super Lokation. Du kannst ja so tun, als wenn du mich beschatten würdest. Dir wird schon etwas einfallen. Der Kommissar und seine berühmte Drogenkatze ermitteln auf freiem Feld. Ungeschützt vor eventuellen Snipers oder Drohnenangriffe“, rief er und lachte schallend. Obstler krallte seine Hand in Steinböcks Ärmel und flüsterte heiser:

„Des isses. Alter, du bist genial. Ich werd denen so Geschichte auftischen, dass die beiden vor Angst in der kommenden Nacht kein Auge zumachen. Wir werden uns am anderen Ufer postieren. Tu mir einen Gefallen. Schau öfters hektisch um dich, des macht das Ganze viel Authentischer.“

„Wenn ich dir damit eine Freude machen kann, von mir aus. Auf gehts Frau Merkel mir verschwinden. Ich müsst mich schon schwer täuschen wenn die zwei Cowboyhüte, die da aus dem Taxi aussteigen nicht deine Klienten sind.“

Jetzt seid ihr beide völlig durchgeknallt. Leute ich schäme mich für euch. Ein angesehener Hauptkommissar gibt sich für so etwas nicht her. Vermutlich sehen wir dich bald bei RTL im Dschungel Camp“, moserte Frau Merkel.

„Geh, red doch nicht so einen Schmarren daher“, brummte Steinböck, klemmte sie sich unsanft unter den Arm und verließ mit Obstler das Cafe.

Keine Gewalt“, fauchte sie.

„Manchmal muss des halt sein“, sagte er, wobei er dem verdutzten Peter Obstler nochmal zuzwinkerte, bevor der seine beiden Cowboys in Empfang nahm.

„Erst wenn eine Mücke auf deinem Hoden landet, wirst du lernen Probleme ohne Gewalt zu lösen“.

Der Kommissar beobachtete wie Obstler die Amerikaner zurück ins Taxi schob, dann wandte er sich der Katze zu.

„Der Spruch ist wirklich gut. Der könnte von mir sein.“

„Konfuzius du Esel“, antwortete Frau Merkel abfällig und sprang von seinem Arm auf den Boden.

Schmunzelnd beobachtete Steinböck das beige Taxi im Rückspiegel, dass ihm in deutlichem Abstand folgte. Es hatte inzwischen zu Regnen aufgehört und die Sonne kämpfte sich bereits wieder durch die Wolken.

„Ich bin immer noch über euer albernes Spiel entsetzt. Ihr solltet euch schämen“, schimpfte Frau Merkel, die es sich auf der Rückenlehne des Beifahrersitzes bequem gemacht hatte.

„Wer sich seiner Fehler schämt, macht sie zu Verbrechen“, rezitierte Steinböck salbungsvoll.

Das erste Mal in seinem Leben spürte er, dass die Katze sprachlos war. Bevor sie ihre Verblüffung ablegen konnte, legte der Kommissar nach. „Konfuzius!“

Mit einem ausgesprochen dreckigen Grinsen drehte er sich zum Beifahrersitz und übersah dabei beinahe den Trabi vor sich, der es tatsächlich schaffte, noch langsamer zu sein als Steinböcks Käfer.

Die Vollbremsung nahm der Katze die Worte und schleuderte sie nach vorne. Wie immer schaffte sie es irgendwie, sich ins Polster einzuklinken.

Bevor sie all ihre Krallen wieder aus dem Sitzbezug herausgelöst hatte, bog der Kommissar in die Baustelle in der Eduard-Schmid Straße ein. Jeder Katzenfreund kennt es von seinem Tier ignoriert zu werden und fühlt sich dabei meist unwohl. Ganz anders Steinböck der die Situation sichtlich genoss und nicht im Geringsten bedauerte.

Sokrates erwartete ihn bereits. Er hatte den zweiten Campingstuhl aufgestellt und auf einer umgedrehten Obstkiste standen zwei Flaschen Bier. Mit einer kurzen Geste forderte er den Kommissar auf, sich zu setzten.

„Servus Harti, danke für das Bier, aber des ist heut wirklich noch a bisserl früh für mich.“

„Kein Problem“, gab er lächelnd zur Antwort und stellte die Flasche zurück an die Betonwand der Brücke. „Ich seh schon, du hast dich wieder an meinen Namen erinnert.“

„Ehrlich g’sagt ich nicht. Des war der Obstler“ erwiderte er und setzte sich vorsichtig in den wackeligen Campingstuhl. Als auch noch die Katze auf seinen Schoß sprang, hatte er starke Bedenken, aber der Stuhl hielt.

„Aha, der Obstler, damals neben mir der klügste Kopf in unserer Klasse. Hab nie wieder was von ihm gehört. Würde mich nicht wundern, wenn der inzwischen an der Uni einen Lehrstuhl hat. Andererseits wenn du mit ihm Kontakt hast, ist er vermutlich Staatsanwalt geworden.“

„Ned ganz“, erwiderte der Kommissar schmunzelnd. „Mit der Polizei hat er nur indirekt zu tun. So eine Art Milieucoach, aber das wird er dir selbst erzählen. Er möchte dich nämlich unbedingt besuchen.“ Innerlich feixte Steinböck über die, wie er fand gelungene Wortkreation des Milieucoaches und scheuchte mit der Hand eine fette Schmeißfliege weg, die sich immer wieder auf seiner verschwitzten Stirn niederlassen wollte.

„Das freut mich. Ab und zu ein hochgeistiges Gespräch wär mal wieder schön.“

Na, ja, ein solches scheint er ja von dir eh nicht zu erwarten, aber jetzt verstehst du sicherlich, wie es mir so ergeht.“ Steinböck packte die Katze unter dem Bauch und warf sie mit leichte Schwung von seinem Schoß.

„Manchmal nervt sie halt doch“, brummte er in Richtung Sokrates, mit den Augen der Katze folgend, die sich in Richtung Isarufer davonmachte.

„Trotzdem ein edles Tier“, stellte Kleverlä jovial fest. „Wo hast du sie her?“

„Ich hab sie sozusagen vor dem Abdecker gerettet“, flüsterte er hämisch in der Hoffnung, dass ihn Frau Merkel nicht höhren würde. Das ruckartige Zucken ihres Schwanzes zeigte ihm jedoch, dass er sich geirrt hatte.

„Nun, Harti, hast du etwas herausgefunden?“, kam Steinböck auf den eigentlichen Grund seines Kommen zurück.

„Also, ich hab mit den Leuten g’sprochen, zumindest mit denen, die etwas zu sagen haben. Ich hab die Angelegenheit ziemlich düster ausgemalt, falls die Mordkommission anrückt und alle verhört. Ist auch der größte Teil von ihnen legal und mit einer Arbeitsgenehmigung hier, wissen sie wie negativ sich das auf sie auswirken kann. Sie haben tatsächlich Angst um ihre Scheißjobs, bei denen sie nur beschissen und ausgebeutet werden. Was glaubst du, wie viele noch Geld vom Maucher bekommen sollten? Insgesamt sind es mehr als 12 000 Euro, die er den armen Schweinen schuldet. Ach egal“, fuhr er resigniert fort, „für die, die hier unter der Brücke leben, leg ich meine Hand ins Feuer. Warum sollten sie ihn umbringen? Sie würden nie ihr Geld kommen? Aber natürlich haben sie sich auch Gedanken gemacht, wer das Schwein abgestochen hat?“ Harti Kleverlä machte eine Pause, erhob sich und nahm ein Handtuch von der Wäscheleine, die zwischen zwei verrosteten Nägeln gespannt war und legte es sorgfältig zusammen. Steinböck spürte, dass er ihm jetzt etwas Zeit lassen musste. Er kramte sein Stoffkäppi aus der Sakkotasche, faltete es auf und zog es sich über den Kopf, in der Hoffnung, endlich die lästige Fliege loszuwerden.

„Also, der Maucher hatte einen bulgarischen Kompagnon oder Geschäftsführer. Der muss noch schlimmer als er selbst gewesen sein. Er hat die Arbeiter aus dem Osten besorgt, aber als er dann junge Frauen hierher brachte, die als Prostituierte arbeiten musste, war es selbst dem Maucher zuviel. Er hat ihn hinausgeschmissen. Der Typ wollte nicht gehen und hat ihm gedroht. Aber Maucher hatte etwas gegen ihn in der Hand und so ist er ihn dann doch losgeworden. Das könnte natürlich auch ein Motiv gewesen sein ihn zu töten.“

„Weißt du den Namen von diesem Geschäftsführer?“

„Nikolai Jordanov“, stieß er verächtlich zwischen den Zähnen hervor.

„Kennst du ihn etwa?“ Kleverlä schüttelte den Kopf. Steinböck erhob sich vorsichtig aus dem Campingstuhl, dann reichte er Sokrates die Hand.

„Dankschön Harti, des könnte mir sehr weiterhelfen und ich hoff, dass des den armen Schlucker hier eine weitere Vernehmung erspart. Übrigens du hast was gut bei mir.“

„Passt schon, komm mal wieder vorbei und bring die Katz mit.“

„Auweia, die Grantlkatz, beinah hätt ich sie vergessen.“ Er nahm sein Käppi und winkte der Katz zu, die am Isarufer nach kleinen Fischen Ausschau hielt.

„Ach ja, falls du vorbeischaust, bring mir a Zeitung mit. Aber was G‘Scheits. Die Süddeutsche oder die Zeit.“

„Versprochen, vielleicht find ma dann auch an Weg wie man die Klimaflüchtlinge vermeiden können.“

„Vielleicht, aber dann bleiben immer noch ein paar Millionen Kriegsflüchtlinge übrig. Was machen wir mit denen?“, antwortete er bitter.

Steinböck verließ nachdenklich den Platz unter der Brück und stieg die Uferböschung zum Parkplatz hinauf. Eine kurze Verschnaufpause, dann kam auch die Katze endlich dazu.

Toll, wie du deinem guten Freund wieder geholfen hast. Echt klasse, ich bin ja so stolz auf dich.“, gab Frau Merkel von sich, als sie ihn mit ein paar lockeren Sprüngen erreicht hatte.

Der Kommissar schaute sie verdattert an.

„Sag mal, spinnst jetzt total. War irgendwas im Isarwasser?“, dann drehte er sich verärgert um, nahm die letzten Meter durch die Büsche und entdeckte Peter Obstler der mit verschränkten Armen an Steinböcks Käfer lehnte.

„Ach du grüne Scheiße“, entfuhr es ihm. „Den hab ich völlig vergessen.“

In diesem Moment stolzierte die Katze eindeutig mit gerümpfter Nase an ihm vorbei.

„Hättest mich auch erinnern können“, murrte er wütend und fühlte sich wie ein geprügelter Hund als er auf Peter Obstler zuschritt. Der löste die verschränkten Arme, ballte mit der Rechten eine Faust und streckte die langsam auf Steinböck zu.

„Ganz großes Kino, wirklich ganz großes Kino“, beteuerte er und grinste verschwörerisch.

Steinböck hat Schwierigkeiten seine Verwirrung zu unterdrücken. Ein gequältes Grinsen deutete Obstler falsch und boxte ihm freundschaftlich gegen den Oberarm.

„Super wie du das gemacht hast“, lobte er. „Gleich am Anfang wie du das Bier zurückgegeben hast und dich mit der Katze auf den Campingstuhl gesetzt hast. Ganz klare Aussage. Du bist bereit für Verhandlungen. Als dann Harti das Handtuch aufgehängt hat und du dein Käppi aufgesetzt hast, war alles klar. Höchste Alarmstufe fürs Sonderkommando.“

„Welches Sonderkommando?“

„Soko Spezialkräfte Drogenbekämpfung. Die ganze Situation war sehr kritisch. Ich konnte die beiden nur mit Schwierigkeiten davon überzeugen, dass sie am Boden liegen bleiben müssen“, schmunzelte Obstler.

„Peter du spinnst, des haben die dir doch nie abgenommen“, antwortete der Kommissar, der langsam seine Selbstsicherheit wieder zurückgewann.

„Oh, doch, haben sie und als du mit dem Käppi gewunken hast, wurde der Einsatz abgeblasen, und das Sonderkommando hat sich zurückgezogen.“

„Und haben die dann nicht gefragt wo das Soko ist. Schließlich ward ihr doch am anderen Ufer versteckt“. Jetzt grinste Obstler richtig dreckig.

„Nö, ich sag nur Kommando Kampftaucher.“

„Kampftaucher in der Isar?“, stotterte Steinböck völlig perplex.

„Ich muss los, die warten auf mich drüben im Café.“

Der Kommissar lehnte sich gegen die vordere Haube seines Käfers, strich sich mit der Hand durchs spärliche Haar und blickte kopfschüttelnd Obstler nach, der sich nochmal ganz kurz umdrehte.

„Ganz großes Kino“, rief er nochmal. „Wirklich ganz großes Kino.“

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