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aus "Graffitikatz" - Band 8 (2023)

„Irgendwann krieg ich raus, wer Harry Potters Informant hier im Revier ist. Dann gnad ihm Gott. Ich muss jetzt jedenfalls los, ich hab in einer Stunde einen Termin beim Tierarzt.“

Beim Wort Tierarzt hörte der Dackel sofort zum Schnarchen auf und zuckte zusammen. Dann schlich er leise unter Emils Schreibtisch.

„Wo ist eigentlich die Katz?“, wollte der feixend wissen.

„Wo ist eigentlich die Saukatz?“, wiederholte Steinböck fast wortgenau und sichtlich angefressen.

„Die hat Schiss, das arme Kätzchen“, spöttelte Hasleitner.

„Wenn der Termin platzt, bring ich sie ins Tierheim.“

„Klar, das glaub ich dir sofort. Die wär einen Tag später wieder vor der Tür“, erklärte Ilona lachend. „Geh einfach runter zu deinem Käfer, dann wird sie schon auftauchen.“

„Vermutlich hast du Recht. Komm Thunfisch, jetzt gehts zum Tierarzt.“

Der Dackel machte keinerlei Anstalten unter Emils Schreibtisch rauszukommen, ganz im Gegenteil, jetzt verkroch er sich unter dessen Rollstuhl. Es dauerte geraume Zeit, bis er den Hund endlich zu fassen bekam und schließlich blieb ihm nichts anderes übrig als das Tier auf dem Arm zum Auto zu tragen. Als er den Parkplatz überquerte, begann der Hund erst zu winseln und dann leise zu jaulen. Ein paar uniformierte Kollegen musterten ihn misstrauisch.

„Was hat er denn der Arme“, fragte einer von ihnen.

Steinböck ignorierte ihn und als er sich schließlich dem VW Käfer näherte, hockte dort Frau Merkel auf der Kühlerhaube.

„Ich dachte schon, du kommst nie. Du weißt hoffentlich, dass wir in weniger als einer Stunde einen Termin haben. Das sind gute sechs Kilometer. Bei deiner Fahrweise und dem, was du Auto nennst, könnte es knapp werden.“

„Was für ein Irrenhaus“, stöhnte Steinböck. Er verfrachtete Dackel und Katze auf den Rücksitz und verließ dann von mehreren Fehlzündungen begleitet den Hof. Er schaffte die Strecke bis zur Preßburger Straße in nur weniger als 35 Minuten.

„Du hast es tatsächlich geschafft“, motzte Frau Merkel.

Zufrieden tätschelte der Kommissar die Kühlerhaube seines alten Käfers und musterte dann die Gegend.

Die Praxis lag in einem Zweifamilienhaus. Auf der anderen Straßenseite erstreckte sich der Westpark mit all seinen Attraktionen.

„Schöne Gegend hier, könnte mir auch gefallen.“

„Nicht meine Gehaltsklasse“, knurrte Steinböck und zerrte den Dackel an der Leine aus dem Wagen. „Was hat der Köter bloß, von ihm will doch keiner was.“

Er hat eben Angst geimpft zu werden.“

„So wie du.“

Bei mir ist das ganz etwas anderes. Die grundsätzliche Möglichkeit, eine überflüssige Impfung zwangsweise zu bekommen, verletzen meine Persönlichkeitsrechte aufs Äußerste.“

„Red doch nicht so einen Schmarren, das ist doch nur eine Auffrischung mit demselben Impfstoff, den du schon mal bekommen hast.“

„Woher weiß ich, dass der Impfstoff nicht bereits verändert wurde. Es ist doch inzwischen möglich, diese kleinen Sonden einzuspritzen.“

„Du spinnst komplett. Du solltest lieber wieder diese Berichte über den Jakobsweg anschauen anstatt auf diesen Querdenkerseiten herumzusurfen.“

Trotzdem besteht die Möglichkeit, dass du meinen Geist mit dieser Sonde kontrollieren könntest“, widersprach Frau Merkel.

„Super, nichts wie rein. Das ist mir das Geld wert. Von mir aus kann er dir gleich die doppelte Dosis spritzen. Und jetzt hör mit dem Blödsinn auf. Du hast doch bloß Schiss vor dem Pikser.“

Es ist sinnlos, mit dir darüber zu diskutieren“, antwortete sie pikiert und stolzierte beleidigt durch die Eingangstür.

Xaver Hirschbauer, ein bärtiger Hüne zugleich Ehemann des Staatsanwalts Sanghäusel begrüßte sie freundlich. Arztkittel gab es in dieser Praxis scheinbar nur bis zu einer bestimmten Größe. Ans Zuknöpfen war nicht zu denken und die Ärmel reichten nur knapp über die Ellbogen.

„Tut mir leid. Ich hoff, wir sind nicht zu spät. Aber bis ich die Viecher im Auto hatte ...“

„Na, na, ihr seids sogar zu früh. Ich muss ich mich erst noch um Lord Nelson kümmern, dann kommt ihr dran. Den Dackel kenn ich doch“, stellte er fest. Hirschbauers Stimme war ein dunkler sanfter Bariton, der auch den genervten Steinböck beruhigte.

In diesem Moment kam seine Assistentin ins Wartezimmer und reichte ihm das Telefon.

„Es ist der Dr. Schmalzl“, flüsterte sie. „Er muss den Termin verschieben.“

„Servus Horsti“, sprach er in den Apparat. „So, du hast deinen Flug verpasst. Aber der Thunfisch ist doch schon da. Na klar, er sitzt vor mir. Freilich, das ist ein Aufwasch. Ich soll den Hund gleich mitimpfen“, erklärte er anschließend, dem fragend dreinblickendem Kommissar. Das war der imaginäre Startschuss für Thunfischs Zitterorgie.

„Ich glaub Herr Doktor, der Dackel hat Sie verstanden“, erklärte die Assistentin und beugte sich hinab um das Tier mitfühlend hinter den Ohren zu kraulen.

Na und, ich versteh auch alles, aber mit mir hat niemand Mitleid, geschweige denn, dass mich jemand hinter den Ohren krault“, nörgelte Frau Merkel.

Lord Nelson entpuppte sich als Schildkröte und die Behandlung war dann relativ schnell zu Ende. Hirschbauer brachte ihn zurück in den Warteraum, wo er von einem älteren Herren in Empfang genommen wurde.

„Geht’s ihm jetzt wieder gut?“, fragte der ängstlich.

„Das wird schon wieder. Jeden Tag 5 Tropfen davon ins Futter und der ist wieder wie ein Junger hinter seiner Lady Gaga her.“

„Vergelts Gott, Herr Doktor, dann wird's ja bald wieder kleine Topfschildkröten geben“, bedankte er sich, klemmte den Karton mit Lord Nelson unter den Arm und verließ die Praxis.

Wie albern, Viagra für Schildkröten. Gehören die nicht in die Suppe?“

Die Katze hatte nur kurz Oberwasser.

„Also gut, jetzt seid ihr beide dran“, lachte Hirschbauer und griff sich den zitternden Thunfisch. Frau Merkel schloss die Augen und versuchte, sich an das Meditationsvideo zur Schmerzbekämpfung zu erinnern, das sie vor ein paar Tagen auf You Tube gesehen hatte.

Ohmmm“, schnurrte sie vor sich hin und wackelte dabei mit dem Kopf hin und her. Steinböck konnte sich ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Der Dackel zeigte sich erstaunlich tapfer und quittierte den Pikser nur mit einem leisen Seufzer. Die Katze stand immer noch auf dem Boden und wackelte mit dem Kopf. Offensichtlich mit Erfolg. Als die Assistentin sie auf den Behandlungstisch hob und Hirschbauer ihr vorsichtig die Spritze zwischen die Schulterblätter gab, schien sie nichts zu bemerken. Danach tastete er sie ab, schaute in ihre Ohren und hob die Lefzen an und inspizierte die Zähne.

„Schaut alles ganz gut aus, bloß ein bisserl Zahnstein, ist aber für a Katz in dem Alter normal.“

Was heißt in dem Alter. Ich befinde mich in den besten Jahren. Nun stich endlich zu. Ich werde auch diese Zwangsimpfung überleben.

„Ja, ja, die Jüngste ist sie nimmer“, erwiderte Steinböck.

„Ist sie denn nachts viel unterwegs?“, wollte der Tierarzt wissen.

„Mal so, mal so. Zurzeit ist sie auf der Suche nach Banksy.“

Hirschbauer blickte den Kommissar verwirrt an.

„Geht’s dir gut?“

„Des ist nur ein Spaß“, versuchte er sich rauszureden. „Ich bin halt ein großer Banksy Fan und immer wenn sie abends verschwindet, frag ich sie, ob sie Banksy sucht.“

Sein Gegenüber schüttelte zweifelnd den Kopf, beschloss dann aber, es dabei zu belassen.

„Apropos Banksy, der Galerist ist ein Freund von mir und er hat mir fünf Karten für die Vernissage am Donnerstag gegeben. Drei davon könnt ich dir abgeben.“

„Mensch, des wär klasse.“ Steinböck hatte nicht wirklich Lust auf diese Veranstaltung, andererseits war er froh, sich dadurch aus der Affäre zu ziehen. Als er wenig später mit drei Einladung und den beiden Tieren in den alten Käfer stieg, konnte er sich nicht verkneifen den Dackel zu loben.

„Respekt Thunfisch du warst ja richtig tapfer. Da gibts zuhause zur Belohnung auch noch a Dosen von deinen Namensvettern.“

Nun übertreib aber nicht. Trotzdem rechne ich euch hoch an, dass ihr dann doch von der Zwangsimpfung eines wehrlosen, intelligenten und vernunftbegabten Wesens abgesehen habt.“

„Ja, ja, wehrlos und intelligent“, brummte er und verließ mit einer Reihe Fehlzündungen den Ort des Schreckens.

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