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aus "Saukatz" - Band 1 (2016)

Klaus Görschi fühlte sich an diesem Morgen ausgesprochen beschissen. Er hatte schon mehrere Male gekotzt, und er beschloss, die Sache zu beenden. Ihm war klar, dass er nur einen Teil des Geldes bekommen würde. Aber wozu sollte er sich jetzt noch mit Peanuts begnügen.Er lächelte gequält und schlüpfte aus dem Schlafsack. Die anderen waren längst weg, und er hatte dem Italiener für heute seinen Platz vor dem Rathaus überlassen. Es war eine gute Gruppe, die hier unter der Wittelsbacher Brücke lebte. Die meisten von ihnen zählten sich zu den Berbern. Obwohl jeder genug damit zu tun hatte, sich um sein eigenes Leben zu kümmern, war da doch eine Gemeinschaft entstanden, die vielen das Leben auf der Straße erstrebenswerter erscheinen ließ als eine sogenannte Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Bedächtig rollte er seinen Schlafsack zusammen. Wieder stieg Übelkeit in ihm auf. Das war nicht der erste Medikamentenversuch, an dem er teilgenommen hatte. Im Grunde genommen verdiente er sich seit 25 Jahren sein Geld damit. Das Honorar, so wie sie es nannten, reichte oft, um ein Jahr auf der Straße leben zu können. Bis auf das erste Mal hatte er es immer freiwillig gemacht. Das war noch vor der Wende in Hohenschönhausen. Er saß damals wegen Einbruchs drei Jahre ein. Dabei hatte er nur die Tür seines Nachbarn eingetreten, als er erfahren hatte, dass dieser als Spitzel für die Stasi arbeitete und mehr als die Hälfte der Hausbewohner abgehört hatte. Er zerlegte mit einem Baseballschläger die gesamte Abhöranlage. Er musste grinsen, als er daran dachte, dass der Staatsanwalt die Tatwaffe ein imperialistisches Sportgerät genannt hatte. Niemand hatte sie gefragt, ob sie an dem Medikamentenversuch teilnehmen wollten, der von einem westdeutschen Pharmakonzern durchgeführt wurde. Im Gegenteil, man machte ihnen vor, dass ihre Gruppe bevorzugt mit Vitaminpräparaten versorgt würde. Was für ein Hohn. Er erinnerte sich an die ewig grinsenden Westvertreter von Bepal Pharm und ihre Namensschilder. Es gab nur drei Namen: Müller, Huber und Meier. Dafür variierte wenigstens die Schreibweise von Meier. Selbst ihre Kittel waren weißer als die des Ostpersonals.

»Hallo, Görschi«, sagte eine leise Stimme. Überrascht drehte er sich um.

»Was machst du denn hier in meiner bescheidenen Hütte? Ich wäre heute sowieso vorbeigekommen«, sagte er grinsend und zog dabei den Gürtel um den zusammengerollten Schlafsack fest.

»Du hast es also noch nicht gehört?«, fragte der Mörder.

»Was soll ich gehört haben?«

»Oskar Hacker ist tot.«

»Oskar ist tot?«, stammelte er. »Was ist passiert?

Etwa ein Unfall?«

»Nein, er wurde erschossen.«

»Aber, wer sollte Oskar erschießen?«

»Na, ich zum Beispiel«, flüsterte der Mörder, hob seine Waffe an Klaus Görschis Schläfe und drückte ab.

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