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aus "Hüttenkatz" - Band 4 (2019)

Offensichtlich hoffte Deniz und Böhmermann immer noch darauf, heute noch ins Tal zu kommen. Steinböck hätte sie nicht festhalten können, aber weder ließ der Nebel nach, noch getraute sich einer von ihnen, den Materiallift, der wieder funktionierte und vor wenigen Minuten wild schwankend den Weg nach unten aufgenommen hatte, zu benutzen. Dafür hatte jetzt auch dieses Telefon den Geist aufgegeben. Fröstelnd stand er vor der Sauna, an einem Stapel Brennholz gelehnt und lauschte dem Brummen des Aggregats und dem leisen Quietschen, das von der Rolle ausging, über die das Drahtseil des Liftes lief.

Das Wochenende ist im Eimer. Der Einzige der hier für Abwechselung gesorgt hatte, musste den Löffel abgegeben und Ecki vom Finanzamt kann auch nicht mehr für Stimmung sorgen.

Der Kommissar versuchte, das Geschwätz der Katze zu ignorieren. Ein leises Knacken und das Ende des quietschenden Geräusches zeigte, dass der Lift unten angekommen war. Steinböck kramte das Päckchen Tabak aus der Seitentasche seines Tweet Sakkos und begann sich eine Zigarette zu drehen.

Was glaubst du, hat jemand unserem Zombie die Luft abgedreht?“

„A bisserl mehr Respekt vor unserm Legionär. Er sah so friedlich aus, als wenn er schlafen würde.“

Das bringt eine Kohlenmonoxidvergiftung so mit sich. Nur was war an seinem Leben schon friedlich und schon gar nicht sein Tod. Ich sag dir, da hatte mindestens einer von deinen lieben Mitschüler die Hände im Spiel.“

„Schon möglich, ein Motiv hatten sie fast alle.“

Erde an Raumschiff, die Versuchsgruppe hat sich um zwei Personen verringert. Sie haben meine Tests nicht überlebt. Ich werde heute mit dem Experiment fortfahren. Weitere Ausfälle sind durchaus möglich.“

„Spinnst jetzt?“, fragte er und drehte sich zur Katze um. Im selben Augenblick entdeckte er Steffi Kümmelkorn, die eine Hand vor dem Mund und sich mit der anderen am Türrahmen festhaltend. Des war jetzt ganz g‘schert, dachte er wütend.

Ich wollte dich nur warnen“, antwortete Frau Merkel hämisch.

„Hallo, Steffi, hast g’sehen, der Lift geht wieder, nur dafür ist jetzt das Telefon kaputt. Ist dir ned gut? Du solltest ned so viel von dem Kraut rauchen. Außerdem ist es illegal.“

„Du, du ... hast nichts gehört?“

„Na, ja, es hat schon ganz schön gequietscht, aber der Lift is ja auch schon ziemlich alt.“

„Ich mein außer dem Lift?“

„Nein sonst nix. Aber sag mal, was willst jetzt eigentlich unternehmen mit dem Ferdel?“, versuchte er, sie abzulenken. „Willst du des ganze an die große Glocke hängen?“

Einen Moment lang, ging ihr Blick zwischen dem Kommissar und der Katze hin und her, dann schüttelte sie sich kurz, ging ganz nah an Steinböck ran und klopfte ihn mit dem Finger auf die Brust,

„Ich mach ihn fertig den gemeinen Hund. Ich will kein Geld, aber seine Karriere ist am Ende.“ Dann musterte sie die Katze. „Vielleicht überlebt er den Tag sowieso nicht“, fügte sie verschwörerisch hinzu und deutete auf Frau Merkel. Jetzt bloß nicht darauf eingehen, dachte Steinböck.

„Also, des solltest du dir nochmal überlegen.“

„Warum?“, fragte sie misstrauisch. Plötzlich setzte sich der Lift wieder in Bewegung. Aus dem Quietschen war ein Wimmern geworden. Er ließ das unheimliche Geräusch noch etwas wirken und dann antwortete er seinerseits mit Verschwörerblick.

„Ich brauch den Ferdel noch.“

„Warum?“, wiederholte sie trotzig.

„Weist, es gibt immer wieder arme Schlucker, denen man helfen muss und da ist ein guter Draht in die hohe Politik von Vorteil.“

„Und was hab ich davon?“

„Vielleicht an Vater für dei Tochter. Was macht die eigentlich?“

Jetzt hellte sich Steffis Gesicht auf. Sie griff in die Gesäßtasche ihrer Jeans, holte ein Lederetui heraus und klappte es auf. Eine hübsche junge Frau, ein Mann und ein Baby grinsten auf einem Foto um die Wette.

„Meine Tochter, ihr Mann und ihr gemeinsamer Sohn. Sie lebt in Brasilien.“

„Des ist weit weg.“

„Sie sind beide Sportlehrer. Sie würde so gerne nach Deutschland kommen, jetzt wo dieser brasilianische Trump an die Regierung gekommen ist. Aber wie sollen, die beide eine Schule finden, die sie anstellt?“

„Siehst du, und da kommt unser Ferdel wieder ins Spiel. Der wird eine finden. Lass ihn da hocken, wo er hockt, aber lass ihn g‘scheit zahlen. Ich red mit dem Ferdel und du wirst sehen, der wird sich zerreißen, um den beiden eine Stelle zu besorgen. Und bitte, lass mir des Bild für ein paar Stunden. Ich möcht es gern dem Opa zeigen.“

„Wart! Ich hab noch eins. Ich hol’s dir schnell.“, sagte Steffi mit Freudentränen in den Augen.

Dein überbreites Grinsen sagt mir, dass ich dieses Foto unbedingt sehen muss“, sagte die Katze und sprang mit einem Satz auf den Holzstapel. „Olala, nach einem dunkelhäutigen Schwager und Neffen, kommt jetzt auch ein schwarzer Schwiegersohn und Enkel in die Familie. Jetzt macht der Ausdruck, dass Ferdel bei den Schwarzen ist, erst richtig Sinn. Gerade noch auf der rechtspopulistischen Bühne in Rio und bald schon auf den blauweißen Brettern, die die Welt bedeuten.“

„Man hilft doch gerne“, schmunzelte der Kommissar.

Endlich kommt ein bisschen Spaß zurück.“

„Sei staad, sie kommt.“

„Schau, des ist fast des selbe Buidl, bloß a bisserl dunkler“, sagte Steffi und lächelte selig, als wenn sie grad noch einen tiefen Zug gemacht hätte.

„Des macht gar nix, des ist sogar noch besser“, freute sich der Kommissar. Plötzlich war’s wieder vorbei mit Steffis Ruhe. Sie krallte sich in Steinböcks Arm, wie es sonst nur die Katz schaffte. Ihr glasiger Blick war starr an ihm vorbeigerichtet.

„Der Brandner Kaspar und der Tod“, flüsterte sie, verdrehte die Augen und sackte in seine Arme.

Verwirrt drehte er sich um und was er da den Berg heraufkommen sah, war schon ein bisschen unheimlich. Aus dem dicken Nebel war der Materiallift aufgetaucht, der Emil Mayer in seinem Rolli sitzend und hinter ihm der weiß gekleidete Mann von der Spusi, der mit beiden Händen fest die Griffe des Rollstuhls umklammerte. In diese gespenstische Stille hinein meldete sich plötzlich Frau Merkel.

„Yeah, mein schwarzer Bruder ist gekommen, jetzt geht der Spaß erst richtig los.“

Als Emil Steinböck entdeckte, löste sich die Verkrampfung, die er während der Fahrt gehabt hatte. Die Aussicht, gleich wieder festen Boden unter den Rädern zu haben und der Anblick des Kommissars, der die zusammengesackte Steffi auf den Armen trug, ließen den alten Emil Mayer junior wieder Oberwasser gewinnen.

„Da kommst du aus dem ewigen Nebel den Berg hinauf und wen erblickst du da? King Kong und die Weiße Frau. Ganz schön gruselig. Na,  Chef, scho wieder a neue Leich?“

„Na, na, die hat bloß Angst vom schwarzen Mann“, sagte er lachend und setzte Steffi, die gerade wieder zu sich kam, auf die Bank neben dem Schuppen.

„Dann kann sie ja mich ned meinen“, rief der Huber Loisi und sprang aus dem Lift. Der Emil zog sich an der Haltestange hoch und der Mann von der SpuSi lupfte den Rolli nach draußen. Jetzt zog sich der junge Kommissar an dessen Schultern hoch und Sekunden später saß er wieder in seinem Rollstuhl.

„Also, mit allem hab ich gerechnet, aber nicht mit dir“, sagte Steinböck schmunzelnd.

„Du kommst doch ohne mich eh nicht zurecht“, antwortete er mit breitem Grinsen. „Darf ich vorstellen der Huber Loisi von der Garmischer SpuSi. Er hat heut Dienst und ihm war langweilig. Außerdem ist er schon öfter als Kind heimlich mit dem Materiallift mitgefahren.“

Steinböck reichte ihm die Hand, die Katze sprang schnurrend auf Emils Schoß und Frau Kümmelkorn murmelte etwas von Außerirdischen.

„Männer es gibt Arbeit für euch, und Steffi, wir brauchen dein Büro.“

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